KunstWerk des Monats Mai 2011

Andreas Jaeggi / blauer Akt

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Andreas Jaeggi:
"blauer Akt"
zwei Bilder in Oel & Acryl auf Malkarton, gerahmt
je 61 x 50 cm
2002

Jetzt lassen wir mal die sexuelle Stimulation durch die neuBerlinerische (oder altNewYork'sche, postPariserische und exSanFrancisco'sche) Pornographie weg. Auch moechte ich mich moeglichst weit von Illustrativem, Dekorativem und Anekdotischem entfernen. Und was bleibt uebrig, wenn ich alle Modeattribute wie grell gefaerbtes Haar, extreme Frisuren, getrimmte und gestylte Kinn-, Oberlippen- und Backenbaerte sowie Augsbrauen, Piercings an den erogensten Zonen, Taetowierungen ... weglasse oder zumindest abschwaeche? Was bleibt, wenn ich das Besondere eines Einzelwesens, das Individuelle des Modells zuruecktreten lasse? Was bleibt, wenn die Darstellung eines nackten menschlichen Koerpers zu einer landschaftlichen Farbbewegung weiblicher und maskuliner Linien und Flaechen wird? Bleibt mir dann nicht viel, recht wenig eigentlich: unpraezis definierte humanoide Formen? Oder wird im Gegenteil das Allgemeine ebenso wie die Essenz der unaufhoerlichen gegenseitige Anziehung und des Abstossens zwischen den Geschlechtern sichtbar, dieses unstabile Gleichgewicht? (Wie aussagekraeftig, dass in der deutschen Sprache das Wort "schlecht" im Wort "Geschlecht" enthalten ist!)

Nach mehreren tausend Jahren Kunstgeschichte ist die Darstellung eines unbekleideten Koerpers immer noch und wieder ein gesellschaftliches und religioes-politisches Thema. Ein niederschmetterndes Zeichen der generellen Nichtveraenderbarkeit der Signalkombinationen, die von der menschlichen Hirnmasse ausgehen.

Die Umsetzung der raeumlichen Wirklichkeit (wie ich sie wahrnehme) auf eine Flaeche ist ein staendiges Tauziehen in der Suche nach Einfachheit und vielschichtiger Tiefe. Einfach verstaendliche und erkennbare Symbole stehen fuer Gegebenheiten und Elemente aus meinem abgelebten Leben (wie die eingravierte Musik und die Kratzer vom Gebrauch in einer Schellack-Langspielplatte). Diese kleinen und grossen "Realitaeten" sind durch das ebenso feinmaschige wie loecherige Sieb der Erinnerung gesickert. Im Arbeitsprozess verwende ich diese Zeichen wie halbdurchsichtige Spielkarten, um mich dann am Ende in meinem kuenstlerischen Werk meist fuer eine klare Hauptaussage zu entscheiden.

Andreas Jaeggi / blauer Akt