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"friedvolle Koepfe" und "die Salome Ausgrabung"

Andreas Jaeggis Arbeit setzt sich mit dem Konzept auseinander, das Kunst als ein Produkt der Geschichte und vergangener Ereignisse ansieht, als Kind seiner Vorgaenger. Er behauptet, dass wir ein Kunstwerk erst dann als solches anerkennen, nachdem es von Kunstkritikern auseinandergenommen und verdaut, durch die Fotografie reproduziert und verfaelscht und gewaltsam in unser Bewusstsein eingehaemmert worden ist. Und dann, sagt er, werden diese schattenhaften Abbilder von wahrhaft originalen Kunstwerken in solch entfernte Fernen von Anbetung gerueckt, dass eine impulsive und ehrliche Reaktion aus dem Bauch auf das urspruengliche Werk ausgeschlossen wird. Jaeggi vermengt diese kuenstlerische Besessenheit mit dem Archaischen und dem Wiedergeborenen, stuerzt sich auf die vorgefassten Kunstkonzepte und ueberwindet diese in konsequenter Weiterfuehrung geschichtlicher und kritischer Vorgaenge. Nun tut er dies aber nicht ohne eine Prise Humor, mit einem Hauch von Taeuschung und am Ende unterwandert er die konventionellen (und kleinkarierten) Kunstbetrachtung ganz. Die Ausstellungsstuecke der "Salome Ausgrabung" sollen "in der Art und Weise eines voellig schnulzigen monumentalen Historienfilms der B-Klasse gesehen werden: als eine excluxive Auswahl von falschen Antiquitaeten ..."

"Die Salome Ausgrabung", ein Skulpturprojekt in Zusammenarbeit mit Ron Rubey, besteht aus zweiundzwanzig Stuecken, die von der biblischen Chronik der Salome inspiriert sind, der Tochter der Herodias und Stieftochter des Koenigs Herodes Antipas. In dieser Erzaehlung aus den Matthaeus und Markus Evangelien des Neuen Testaments verspricht Koenig Herodes was auch immer Salome sich wuenscht, falls sie fuer ihn tanzt. Salome verlangt und erhaelt den Kopf von Johannes dem Taeufer, der ihr auf eine Schale gebracht wird. Fuer Jahrhunderte ist die Geschichte der Salome ein beliebtes Thema in der christlichen Kunst gewesen, in Darstellungen von beruehmten Kuenstlern und in verschiedenen Opern- und Textversionen von bekannten Schriftstellern. Jaeggi ist ein international anerkannter klassischer Opern- und Konzertsaenger ebenso wie bildender Kuenstler, daher ist es kaum verwunderlich, dass er sich eine Geschichte aussucht und verarbeitet, die so kraftvoll in der Opernliteratur lebt. 

"Die Salome Ausgrabung" beinhaltet verschiedene figurative Skulpturen wie "Salomes Goldmaske", "Salomes Schminkpalette" und "kleine Salome", welche das Gesicht oder den Kopf der jungen Frau darstellen, die fuer das schreckliche Koepfabhauen eines verehrten Heiligen verantwortlich war. Andere figuerliche Arbeiten zeigen einen vierkoepfigen Koenig Herodes, einen scharlachroten Kopf des Jochanaan (Oscar Wildes Version von Joahnnes dem Taeufer) und die blutfarbene Figur des Narraboth, einem jungen Gardeoffizier, der sich selber umbringt, nachdem seine Liebe zu Salome abgewiesen worden ist. Jede Arbeit ist eine subtile Verschmelzung von uralten Kunstformen mit zeitgenoessischen Vorgaengen und Empfindungen. Durch diese Sammlung von erfundenen Artefakten, geformt aus luftgetrocknetem Modellierton, Ton, Papiermache, Metall, Eitempera, Acryl, Farbpigmenten und verschiedenen anderen Materialien, rekonstruiert Jaeggi die merkwuerdige und dramatische Erzaehlung, die das Publikum seit Jahrhunderten verwirrt, unterhaelt und verfolgt.

Jaeggi beschreibt seine neuste Installation "friedvolle Koepfe" als "schwebenden Friedhof von abgetrennten Koepfen, die auf Augenhoehe von der Decke haengen", als einen Versuch, "grosse Ruhe" zu erreichen. Diese aufgehaengten Gesichter sind nicht Darstellungen der Realitaet des Todesaktes und des Leidens, das diesen umgibt, eher eine Annaeherung an den Tod als einen Zustand wuerdevoller Ruhe, sogar einer Befreiung der Leiden der Welt der Lebenden. Geformt in Ton und erhoeht mit Oel- und Acrylfarbe sind diese Portraits des Todes auch Visionen der Jugend. Zwischen den geweissten schwebenden Koepfen und den erdenschweren Formen ihren Grabstaetten besteht ein Leerraum von grosser Aussagekraft, ein Spannungsfeld entsteht duch das Nichtvorhandensein eines Koerpers, vielleicht, oder durch das Vorhandensein einer geistiger Kraft.

Durch das Neuerfinden uralter Themen und dem Integrieren von Elementen der klassischen Bildhauerei durchforscht Jaeggi das Konzept der Originalitaet und des Originals an sich, der Reproduktion und der generellen Lebensdauer eines Kunstwerks. Waehrend er versucht, ein archetypisches menschliches Wesen in der Tradition der alten Griechen darzustellen, gelingt es Jaeggi auch, die heutige Koerperaesthetik einzufangen. Jaeggi ist in Basel geboren, wo er fuer viele Jahre Kunst studiert hat, bevor anfing, seine Arbeit in Gruppen- und Soloausstellungen in Europa und den USA zu zeigen. Als Opernsaenger ist er in zahlreichen internationalen Opernhaeusern aufgetreten und als Darsteller, ebenso wie als Buehnenbild- und Kostuementwerfer ist er Mitglied des Pariser Musiktheaterensembles Compagnie Alain Germain.

ArtisSpectrum Kunstzeitschrift
 

Ausstellungen: "friedvolle Koepfe" und "die Salome Ausgrabung"
Galerie Agora SoHo / Chelsea, New York