KunstWerk des Monats Januar 2010

Andreas Jaeggi / vor der Geburt

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Das Thema der Geburt von einem etwas anderen Blickwinkel aus gesehen

Andreas Jaeggi ist vom Naturhistorischen Museum von Le Havre als Artist-in-Residence eingeladen worden, um vor Ort eine Serie von siebzehn Bildern und vier Zeichnungen zum Thema echographische Darstellung des menschlichen Wesens vor der Geburt zu malen und zu zeichnen. Die Kunstwerke sind von Dokumenten der dreidimensionalen Echographie von Prof. Dr. Jean-Marc Levaillant inspiriert, die in neuester Technologie von einem Echograph 3D Scanner von GE Healthcare ausgefuehrt worden sind. Dieses Geraet ist auch im Rahmen der Ausstellung in Funktion zu sehen. Die Bilder in Oel und Acryl auf Leinwand und Farbstiftzeichnungen sind Teil der Ausstellung von Alain Germain "Vor der Geburt, bildnerische Darstellungen aus 5000 Jahren" im Naturhistorischen Museum (Direktor Cedric Cremiere und Jean-Louis Fischer, Kurator) in Le Havre. Die Praesentation umfasst unter anderem auch einen altaegptischen mummifizierten Foetus in einem bemalten Sarkophag und kleine lebensgrosse Wachsmodelle aus dem 19. Jahrhundert.

Alain Germain: "Ich habe Andreas Jaeggi gebeten, eine Serie von gemalten Leinwaenden zu realisieren, inspiriert von echographischen Aufnahmen von Foeten. Diese vorgeburtlichen Portraits eroeffnen neue Perspektiven, da sie die distanzierte Sicht eines Kuenstlers darstellen, eine andere Form der Wiedergabe, speziell geschaffen fuer diese Praesentation.

Dass ich Andreas Jaeggi fuer diese Portraitgalerie gewaehlt habe, ist alles andere als Zufall: er hat oft an den Buehnenproduktionen und Ausstellungen der Compagnie Alain Germain teilgenommen und diese Zusammenarbeit dauert nun schon seit vielen, vielen Jahren. Ich war mir absolut sicher, dass er das gewuenschte Profil hat, diesen Auftrag auszufuehren. Wer ausser ihm haette sich besser in dieses Projekt einfuegen koennen? Er, der Opernsaenger, dessen Koerper sein Instrument ist – ein Resonanzgefaess, ueber dem die Stimmbaender vibrieren – und der einen aeusserst komplexen Klang produziert, der gleichzeitig jedoch mit dem Urschrei des Neugeborenen verglichen werden kann, der Quelle von Wort und Musik. Er, der reisende Maler, der in Le Havre, der Hafenstadt
par excellence, diese Bildgruppe vor Ort hat entstehen lassen. Er, der figurative Portraitist, dessen hier gezeigte Arbeiten eine Chance haben Videos und DVDs zu ueberleben, die sehr empfindlich und schwer zu konservierende Medien sind. Andreas Jaeggis gemaltes Zeugnis kaempft gegen dieses Ausloeschen durch die Zeit an und erscheint wie das Bewahren einer ungewissen virtuellen Zukunft. Es ist dies eine formelle Arbeit, die ihre Wurzeln in der Innerlichkeit der im Entstehen begriffenen Modelle hat. Linie und Farbe uebersetzen die Essenz noch nicht ganz existierender menschlicher Wesen, da sie noch nicht "auf die Welt gekommen" sind. Es ist dies ein dermassen heikles Thema, dass die Wissenschaft eines Kuenstlers noetig war, die Herausforderung eines solchen Unterfangens zu begreifen und ueber eine blosse bildliche Wiedergabe hinauszugehen.

Diese Momentaufnahmen von Figuren, die im Begriff sind zu entstehen, stellen eine eigenartige Wirklichkeit dar ... den Versuch, den Moment festzuhalten, wo das Kreative und die medizinische Forschung sich ueberkreuzen. Sie scheinen uns zu sagen, dass sich alles in einer immerwaehrenden Bewegung befindet. Sie befragen uns stumm und sind ein Fenster in die Zukunft, die ihre Wurzeln in Vergangenem hat, das archiviert wird und uns einige Momente der gegenwaertigen Zeit uebermitteln."